janice.allermann
Gurus - Teil 1 - Zwischen Macht und Hingabe
Nachdem ich mehrere Interviews mit verschiedenen langjährigen YogalehrerInnen von J. Browns Yoga Podcast angehört habe, stelle ich die ganze „Guru-Sache“ mal wieder in Frage.
J. hat Interviews mit verschiedenen Leuten aus (und über) die Ashtangaszene geführt – einer Szene, in der in den letzten Jahren immer mehr Schüler über körperliche Gewalt und sexuellen Missbrauch durch dessen Gründer Pattabhi Jois auspacken. Andere Podcastfolgen erzählen außerdem von harten körperlichen ‚adjustments‘ anderer indischer Gurus (z.B. Iyengar), sowie thematisieren Guru-Verehrung im Allgemeinen.
Und noch mehr Fragen tauchten bei mir auf…
Was genau ist ein Guru? Wo kommt das Wort her? Was ist damit gemeint?
Wie hat sich die Gurutradition verändert? Warum haben wir diese ‚Probleme‘ mit den Gurus, die wir heute haben?
Brauchen wir noch immer Guru? Brauche ich einen Guru, um in meiner Yogapraxis ‚weiter zu kommen‘ (was auch immer das genau meint)?
In diesem Teil beantworte ich die ersten fünf Fragen. Meine Antworten zu den letzten zwei Fragen sowie eine eher persönliche Sichtweise auf die ganze Thematik findest du in Teil 2.
Guru ist ein Titel für einen spirituellen Lehrer im Hinduismus, Sikhismus und tantrischem Buddhismus. Das Wort besteht aus den Sanskritsylben „gu“ (= Dunkelheit) und „ru“ (= Licht). Lose übersetzt zu „Vertreiber der geistigen Dunkelheit“ oder „derjenige, der Licht in die Dunkelheit bringt“. „guru“ als Adjektiv wird als „schwer“ übersetzte; „derjenige der ‚schwer‘ mit Wissen ist“. Traditionsgemäß war im indischen Haushalt der Vater der Guru, der sein Wissen und seine Kenntnisse and seinen Sohn weitergab.
In der Kultur des Yogas, wird ein Guru als ein erleuchteter Mentor oder ein vertrauenswürdiger spiritueller Master gesehen. Die Eins-zu-Eins Beziehung zwischen Yogaschüler und Guru wird als höchst wichtig für die Praxis und das Erreichen von Erleuchtung gesehen.
Wenn ein Schüler sich auf den spirituellen Weg macht, ist dieser nicht eindeutig und einfach. Es macht also Sinn unter der Anleitung eines Gurus zu stehen. Ein Guru kann um mögliche Fallgruben und Gefahren herum navigieren und/oder möglicherweise sein spirituelles Leuchten auf seine Gefolgsleute ‚übertragen‘.

Und wo fängt es dann an falsch zu laufen?
Ich denke da gibt’s zwei Möglichkeiten… (oder die Kombination von beiden):
A: Der Guru wird durch Macht verdorben.
B: Der Schüler folgt dem Guru blind.
Etwas genauer erklärt:
A: Einige Gurus haben vielleicht schlicht weg schlechte Intentionen, aber lass uns davon ausgehen, dass die Mehrheit mit den besten Intentionen beginnt (meint: sie wollen ihre Weisheit teilen, um dem Schüler auf seinem spirituellen Weg in Richtung Erleuchtung zugunsten unser aller Wohl zu helfen). Ein Guru strebte vielleicht nicht einmal nach diesem Titel, dieser Position. Anhänger sammelten sich mehr und mehr um ihn herum und so wurde er schließlich das Zentrum einer spirituellen Bewegung. Macht und bedingungslose Verehrer zu haben kann jeden korrumpieren. Der Guru-Status kann einem Privilegien, Macht, Geld, sogar Sex einbringen. Einige werden durch diese Vorzüge korrumpiert, andere wurden gerade wegen dieser Gurus (aus narzisstischen Intentionen und Ich-Bezogenheit).
Ich sage nicht, dass es keinen anderen Weg gibt, dass alle Gurus schlecht sind. Ich möchte hier nur sagen, dass, wenn man sich jüngste Entwicklungen und Geschichten ansieht (Pattabhi Jois und Iyengar seien hier als die wohl bekanntesten Beispiele genannt), ein gewisses Maß an Vorsicht ratsam ist, wenn man sich einem Guru anschließen möchte.
B: Einem Guru zu folgen verlangt vom Schüler Hingabe (engl. Devotion). Man sucht und findet einen Guru (oder man wird von einem gefunden), um auf seinem spirituellen Weg weiter zu kommen. Unter der Annahme, dass der Guru derjenige ist, dem es möglich ist dich vom Dunkel ins Licht zu führen, tut der Schüler gut dran dem zu folgen, was der Guru anzubieten hat.
Die Beziehung wird schädlich, wenn der Schüler seine Befugnis verliert das was der Guru vorschlägt zu hinterfragen; was dazu führt, dass der Schüler blind allem folgt was der Guru sagt. Dies geschieht entweder weil der Guru blinden Gehorsam einfordert oder weil der Schüler aus welchen Gründen auch immer zu einem kindlichen Zustand von Verantwortungslosigkeit für sich selbst zurückgekehrt ist (dies ist häufig kein rational ablaufender Vorgang, sondern ganz im Gegenteil passiert unbewusst). Dieser kindliche Zustand von bedingungsloser Hingabe und Unverantwortlichkeit hat tatsächlich etwas sehr Angenehmes – der Guru hat alles im Griff, er kann dich vor allem beschützen und du hast dich um nichts zu sorgen.
Auch dies ist nicht immer der Fall, ist aber vorgekommen (ich empfehle dir die Osho Dokumentation anzugucken – Wild Wild Country).
Teil 2: Gurus - Authorität vs. Autonomie